Die Obergrenze wurde dieses Jahr mit 37.500 Asylanträgen (im Nachhinein präzisiert: 37.500 Zulassungen) festgelegt, und dieser wird dieses Jahr wohl nicht erreicht. Für den Fall, dass das doch so sein sollte, plant die rot-schwarze Bundesregierung eine sogenannte “Notverordnung”, die verhindern soll, dass die staatliche Verwaltung an ihre Grenzen stößt. Die Obergrenze soll mit der Notverordnung auch gesetzlich verankert werden.

Einer von vielen Streitpunkten in der Koalition – die SPÖ ist dagegen, die ÖVP mit Innenminister Sobotka dafür. Das Problem: Man weiß nicht, ob es rechtlich überhaupt möglich ist. Die Juristen Walter Obwexer und Bernd-Christian Funk haben in einem Rechtsgutachten festgestellt: Die Obergrenze ist möglich, aber eine gesetzliche Verankerung ist mit dem Verfassungsrecht nicht vereinbar. Abseits des Gutachtens stellte Funk allerdings schon im März fest, dass nicht nur das Gesetz verfassungswidrig sei, sondern die Bund-Länder-Vereinbarung, auf der die Obergrenze momentan beruht, erst recht unzulässig ist.

Die Regierung will Asylanträge, die eine gesetzlich vorgeschriebene Obergrenze überschreiten, auf das kommende Jahr schieben können. Das Ö1-“Morgenjournal” zitiert Walter Obwexer mit: “europarechtlich gerade noch erlaubt, aber auch nicht in jedem Fall”. Danach folgt ein Interview mit dem Innenminister, der erneut auf der Notwendigkeit beharrt.

Der SPÖ jedenfalls gefällt das gar nicht. Für Unmut sorgt das Beharren von Sobotka auf der gesetzlichen Obergrenze sowie Geld- und Haftstrafen für problematische Fälle unter Asylwerbern. Georg Niedermühlbichler lässt über eine Presseaussendung wissen:

„Die Forderungen des Innenministers im heutigen ‚Ö1-Morgenjounal‘ enthalten Punkte, die nicht im Einklang mit der Verfassung sind. Die gesetzliche Festschreibung eines zahlenmäßig fixierten Richtwerts steht aber nicht nur im Widerspruch zur österreichischen Verfassung, sie widerspricht auch dem Völkerrecht und ist europarechtlich nicht tragbar, das haben Experten schon ausreichend festgestellt.”

Georg Niedermühlbichler, SPÖ-Bundesgeschäftsführer

Sobotka reagiert darauf zurückweisend: Ein Ministerratsbeschluss sei keine ausreichende Rechtsgrundlage für die behördlichen Aktionen, erklärte er. Aufgrund der Legalitätsprinzips, das in der österreichischen Verfassung unter dem rechtsstaatlichen Prinzip verankert ist, kann man dieses Argument gelten lassen:

“Die gesamte staatliche Verwaltung darf nur aufgrund der Gesetze ausgeübt werden.”

Art. 18 Abs. 1 und 2 B-VG

Dass ein Gesetz also notwendig wäre, um die von der ÖVP vorgeschlagene Asylpolitik überhaupt möglich zu machen, ist also richtig. Die Frage ist allerdings, ob so ein Gesetz überhaupt verfassungskonform sein könnte. Sobotka verweist auf den Verfassungsjuristen Heinz Mayer, der die Verfassungskonformität so erklärt:

„Eine Verfassungswidrigkeit der mir vorliegenden Bestimmung ist nicht erkennbar. Das Bundesamt kann nicht auf Grundlage eines Beschlusses des Ministerrats handeln, daher ist eine gesetzliche Verankerung notwendig, um die Obergrenze auch dementsprechend durchsetzen zu können.”

Heinz Mayer, Verfassungsjurist

Viele beziehen sich bei der Argumentation der Rechtswidrigkeit darauf, dass durch das geplante Gesetz das Grundrecht auf das Stellen eines Asylantrages laut Genfer Flüchtlingskonvention dadurch bedroht wird. Das Problem bei dieser Argumentation ist: Die GFK steht nicht im Verfassungsrang. Die EMRK allerdings schon – und zu dieser sieht Heinz Mayer keinen Widerspruch. Im Telefonat mit “Fakt ist Fakt” meint Mayer, nur, weil jemand auf einen Asylantrag warten müsse, sei das noch lange kein Widerspruch gegen die Bestimmungen der Menschenrechtskonvention – maximal, wenn er ein Jahr warten müsse und dabei ohnehin keine Chance habe.

Da der Vorschlag von Sobotka vorsieht, Flüchtlinge aufgrund des Zeitpunktes ihrer Antragsstellung zu benachteiligen und ihre Anträge ins nächste Jahr zu schieben, wird das Grundrecht auf Stellen eines Asylantrages also eingeschränkt – aber nicht so, dass das Gesetz als verfassungswidrig durchgehen würde. Die Aussage von Niedermühlbichler ist also als falsch zu bewerten.

Am 5. Dezember einigte sich die Regierung übrigens auf das Fremdenrechtspaket. Mit Geldstrafen und ohne Obergrenze.

Fotocredit Georg Niedermühlbichler (Kleines Bild):