Es gibt so einige Leute, die man gern zur Situation der SPÖ befragt. Hans Niessl, der Landeshauptmann des Burgenlandes, ist einer davon. Im Interview mit dem “Standard” spricht er vom “burgenländischen Weg” und meint, die österreichische und europäische Sozialdemokratie sollten sich am Burgenland orientieren.

Dabei spricht er starke Forderungen aus: Zum Beispiel die eines flächendeckenden Mindestlohns von 1500 Euro. Auf die Frage, wie das finanziert werden soll, antwortet Niessl: Durch eine Steuerreform von 5 Milliarden. Finanziert werden soll die auch durch Vermögenssteuern. Niessl meint:

Österreich hat die niedrigste Vermögenssteuer. Man muss sich das Modell in Deutschland anschauen. Dort gibt es nämlich deutlich höhere Vermögenssteuern. Niemand will Betriebe ruinieren, aber das tun ja die Deutschen auch nicht. Ganz im Gegenteil.

First things first: Österreich hat gar keine Vermögenssteuer. Und Deutschland auch nicht. 1993 wurde die Vermögenssteuer in Österreich ausgesetzt. In Deutschland urteilte das Bundesverfassungsgericht im Jahr 1995, dass die steuerliche Belastung von Grundstücken und Immobilien nicht mit dem Gleichheitsgrundsatz des deutschen Grundgesetzes vereinbar sei.

Und da es Länder in Europa gibt, die eine Vermögenssteuer haben – zum Beispiel Frankreich -, könnte man diese Aussage leicht als falsch bewerten. Vor allem, weil Niessl “Europa” mit keinem Wort erwähnt. Durch den Kontext der Diskussion ist dieser Zusatz aber anzunehmen. Außerdem wird der burgenländische Landeshauptmann hoffentlich wissen, dass beide von ihm angesprochenen Länder keine Vermögenssteuern haben. Also wird er vermutlich die Summe der Steuern meinen, die sich auf Besitz beziehen – “vermögensbezogene Steuern”. Dazu zählen zum Beispiel die Grundsteuer oder Kapitalverkehrssteuern.

Was diese angeht, gibt es dazu Zahlen der Europäischen Kommission. Diese veröffentlicht auf ihrer Website regelmäßig Berichte zu Daten aus ganz Europa – auch Steueranalysen. Die aktuellsten beziehen sich auf das Jahr 2014 und ergeben für das Kapitel Taxes on property folgende Werte, gerechnet in Prozent vom Bruttoinlandsprodukt.

Taxes on property

Daraus ergibt sich: Österreich hat nicht die niedrigsten vermögensbezogenen Steuern. Slowenien und die Slowakei den gleichen Wert wie Österreich – 0,7 Prozent des BIP kommen aus taxes on property. Estland ist, was vermögensbezogene Steuern angeht, das Paradies – nur 0,4 Prozent des BIP kommen aus ihnen. Auch in Bulgarien, Litauen, Tschechien und Kroatien sind die Steuern verhältnismäßig noch niedriger als in Österreich. Spitzenreiter sind Frankreich und das Vereinigte Königreich.

Die Aussage ist also zuerst mal falsch. Österreich hat nicht “die niedrigsten” Vermögenssteuern. Sein Punkt ist allerdings richtig: Im Vergleich – egal ob mit der Europäischen Union oder mit Deutschland – gibt es in Österreich sehr geringe vermögensbezogene Steuern. Da er sich auf Deutschland explizit bezieht, gilt: Aussage streng genommen falsch, Argument richtig. Wir bewerten die Aussage daher als “Teils richtig”.

Fotocredit Hans Niessl (Kleines Bild): Bratislavská župa | CC-BY 2.0