Der burgenländische Landeshauptmann Hans Niessl lobt in einem Interview mit dem “Standard” die Bildungssituation im Burgenland und wirft dabei mit Superlativen um sich:

Deshalb ist es mir so wichtig zu betonen, dass wir die niedrigste Armutsgefährdung haben und eine hohe Beschäftigung. Wir unternehmen im Burgenland enorme Anstrengungen bei Bildung und Ausbildung. Das Burgenland ist führend bei der Kinderbetreuung. Wir haben die höchste Maturantenquote. Wir haben 1.100 Lehrlinge in Lehrwerkstätten.

Okay, das war sehr viel Information auf einmal. Also der Reihe nach.

Armutsgefährdung

Laut Eurostat, welche die Daten jährlich in den „Gemeinschaftsstatistiken über Einkommen und Lebensbedingungen“ erhebt, gilt eine Person als armutsgefährdet, wenn sie weniger als 60 Prozent des Medianeinkommens zur Verfügung hat. 2015 lag das Medianeinkommen in Österreich bei 1.938 Euro, die Armutsschwelle liegt also beim 1.160 Euro. Jeder siebte muss mit weniger als diesem Betrag auskommen, besonders gefährdet sind Menschen mit ausländischer Staatsbürgerschaft und alleinerziehende Eltern.

Das Burgenland steht tatsächlich sehr gut da – in Vorarlberg und in Niederösterreich sind nur 9 Prozent der Bevölkerung armutsgefährdet.

Kinderbetreuung
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Bei den 3- bis 5-jährigen hat das Burgenland mit 97,7 Prozent die höchste Kinderbetreuungsquote. Diese ist übrigens in den letzten Jahren in allen Bundesländern gestiegen – wohl vor allem wegen des Gratis-Kindergartenjahres. Bei der Betreuung der 0- bis 2-Jährigen (Kinderkrippen und Krabbelstuben) rangiert das Burgenland allerdings nur an zweiter Stelle hinter Wien. Auch bei den Kindern zwischen 6 und Jahren, die z. B. in Horten betreut werden, liegt das Burgenland abgeschlagen an sechster Stelle.

Niessl behauptet, das Burgenland sei führend bei der Kinderbetreuung. Auch wenn es kleinlich wirkt, nehmen wir solche Ausdrücke sehr ernst – denn „führend“ heißt laut Duden nur, dass man „in einem bestimmten Bereich bestimmend oder maßgebend“ ist. Im Gegensatz dazu meint beispielsweise „das Ranking anführen“ unmissverständlich den ersten Platz in eine Reihung. Da das Burgenland bei der Betreuung der unter 5-jährigen aber eine Vorreiterrolle einnimmt, ist führend daher gerade noch richtig – vor allem, weil ältere Kinder sowieso schulpflichtig sind und schon halbtags in der Schule betreut werden.

Maturantenquote

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52,5 Prozent der 18- bis 19-jährigen Burgenländer haben laut einem Bericht der Statistik Austria im Jahr 2015 maturiert – das ist deutlich mehr als der Bundesdurchschnitt (43,5 Prozent) und auch die die höchste Zahl unter allen Bundesländern. Niessl hat in diesem Punkt also Recht.

Lehrwerkstätten

Die überbetriebliche Lehrausbildung wurde ursprünglich geschaffen, um Jugendliche, die keine Lehrstelle in einem Betrieb finden, trotzdem übergangsweise eine Ausbildung bieten zu können, bis ein Betrieb sie aufnimmt. In der Realität bleiben die Lehrlinge aber bis zum Schluss in den sogenannten „Lehrwerkstätten“. Im Jahr 2015 gab es österreichweit 8.850 solcher Lehrplätze – davon 450 im Burgenland. Für das aktuelle Jahr gibt es noch keine offiziellen Daten, auf Anfrage verrät das AMS jedoch, dass sich aktuell 685 Lehrlinge in überbetrieblicher Ausbildung befinden. Von 1.100, wie Niessl behauptet, ist das weit entfernt. Er meint wohl nicht den „Bestand“, sondern die Anzahl der Personen, die das Programm in Anspurch genommen haben, das sind nämlich 1.262. Oder er hat Verwaltungpraktikanten, Sommerpraktikanten und Lehrlinge in anderen atyptischen Ausbildungsformen mitgezählt, hier kommt man auf 1.108. Niessl suggeriert jedoch, dass es aktuell 1.200 Lehrlinge bzw. Ausbildungsplätze in Lehrwerkstätren gibt, was schlichtweg falsch ist.

Ob sich Niessl aber tatsächlich mit den Federn schmücken sollte, ist fraglich. Die Lehrwerkstätten kosten mehr als dreimal so viel wie ein regulärer Ausbildungsplatz in einem Betrieb (und auch mehr als einer in AHS und BHS) und die Lehrlinge fallen bei der Abschlussprüfung häufiger durch. Und wie praxisnah und stressresistent ein Restaurantfachmann ausgebildet wird, der jahrelang Tabletts durch ein leeres Restaurant trägt, sei dahingestellt.

Fazit

Das Burgenland hinkt dem Rest Österreichs wirtschaftlich immer noch etwas hinterher. Stark aufholen konnte es jedoch bei der Bildung. Mit Ausnahme der Zahl der überbetrieblichen Lehrlinge entsprechen alle von Niessl genannten Behauptungen den Fakten.  Alles in allem bewerten wir die Aussage des Landeshauptmanns daher als halbrichtig.

Fotocredit Hans Niessl (Kleines Bild): Bratislavská župa | CC-BY 2.0