„Sicher ist: Die Türkei kann ohne Europa ihr Haushaltsdefizit und ihr Wirtschaftswachstum nicht finanzieren.“

In einem Interview mit der BILD am Sonntag am 10.12.2016 wurde Christian Kern unter anderem zur Türkei als Handlungspartner befragt. Auch wenn Erdogan ein unberechenbarer Partner sei, so sei doch sicher, dass die Türkei ohne Europa ihr Haushaltsdefizit und ihr Wirtschaftswachstum nicht finanzieren könne, meinte der Kanzler. Stimmt das?

Die Türkei hat traditionell eine negative Handelsbilanz. Das bedeutet, dass die Türkei mehr Waren importiert als exportiert. Hauptsächlich werden Früchte, Textilien und Stahl exportiert, die wichtigsten Importgüter sind hingegen Maschinen, chemische Produkte und Treibstoffe. Im Jahr 2015 lag das Jahresbilanzsaldo etwa bei minus 63,32 Milliarden US-Dollar, das sind etwa 59,51 Milliarden Euro Handelsbilanzdefizit. Damit beträgt es ca. 8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Die Schulden der Türkei gegenüber dem Rest der Welt steigen also.

Doch wenn die Türkei exportiert, an wen exportiert sie? Wichtigster Partner für türkische Exporte ist klar die Europäische Union mit 44,5 Prozent der Gesamtexporte. Wichtigste Handelspartner sind Deutschland (9,3 Prozent der Exporte), England (7,3 Prozent) und der Irak (5,9 Prozent). Unter den 20 wichtigsten Handelspartnern der Türkei sind zehn aus Europa, neun aus der EU.

Damit die Türkei ihr Wirtschaftswachstum halten kann, (im Jahr 2015 stieg das Real-BIP um 3,99 Prozent gegenüber dem Vorjahr) ist sie also auf Erhalt und Ausbau der bestehenden wirtschaftlichen Beziehungen angewiesen. Da das zurzeit neben dem arabischen Raum und Amerika hauptsächlich Europa ist, hat Herr Kern mit seiner Aussage recht, dass für die Bedienung des Wirtschaftswachstums und des Haushaltsdefizits der Handel mit Europa entscheidend ist.

Fotocredit Christian Kern (Kleines Bild): BKA / Andy Wenzel