Im aktuellen Arbeitsabkommen hat die Bundesregierung einen Mindestlohn beschlossen. Bis 1. Juli haben die Sozialpartner Zeit, einen entsprechenden Gesetzesentwurf auszuarbeiten, ansonsten legt die Regierung selbst einen vor. Mindestlohn und andere arbeitspolitische Maßnahmen wie Arbeitszeitflexibilisierung sind also laufend im Gespräch. Auch im letzten ORF-“Report”, bei dem sich Arbeiterkammer-Präsident Kaske und NEOS-Abgeordneter Josef Schellhorn zum Thema unterhielten.

Die NEOS stehen dem Mindestlohn skeptisch gegenüber – auch, wenn sie selbst mal ein “liberales Bürgergeld” gefordert hatten. Warum die Unternehmer ihren Mitarbeitern nicht mehr zahlen würden, beantwortet er so:

“Das Kernproblem ist ein anderes. Generell verdienen die Mitarbeiter zu wenig und kosten zu viel. Man soll mehr netto von weniger brutto bekommen. Die Lohnnebenkosten sind zu viel. Die Jahreskosten sehen wir hier.”

Dabei zeigt Schellhorn dieses Taferl her, das von 1.300 Euro Mindestlohn laut Kollektivvertrag in Schellhorns Branche (er ist Hotelier) üblich ist.

(C) NEOS Parlamentsklub

Wir haben nachgerechnet.

Arbeitgeber

Bruttogehalt (Monat) 1.300 Euro 1.500 Euro Veränderung
Sozialversicherungsbeiträge (Dienstgeber) 3.896,36 4.495,80 + 599,44
Dienstgeberbeitrag zum Familienlastenausgleichsfonds 746,20 861,00  + 114,80
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag (Kammerumlage) 76,44 88,20  + 11,76
Kommunalsteuer 546,00 630,00  + 84,00
Mitarbeitervorsorgekassa 278,46 321,30 + 42,84
Dienstgeber bezahlt     23.743,46 27.396,30  + 3.652,84
– davon Lohnnebenkosten 5.543,46 6.396,30  + 852,84
– davon für Dienstnehmer 18.200,00 21.000,00  + 2.800,00

Erhöht sich der Lohn für einen Angestellten um 200 Euro pro Monat, muss der Arbeitgeber pro Jahr um 3.652 Euro tiefer in die Tasche greifen – davon kommen aber nur 2.800 Euro als Bruttolohn beim Mitarbeiter an, die restlichen 852 Euro sind Lohnnebenkosten.

Arbeitnehmer

Bruttogehalt (Monat) 1.300 Euro 1.500 Euro Veränderung
Bruttogehalt (Jahr) 18.200,00 21.000,00  + 2.800,00
Sozialversicherungsbeiträge (Dienstnehmer) 2.725,84 3.565,20  + 839,36
Lohnsteuer 209,10 645,38  + 436,28
-Lohnnebenkosten 2.934,94 4.210,58  + 1.275,64
Dienstnehmer bekommt 15.265,06 16.789,42  + 1.524,36

Von diesen 2.800 Euro kommen auf dem Konto des Angestellten nur 1.524 Euro an. Vor allem die Lohnsteuer, die ab 18.000 Euro 35 Prozent beträgt, reißt einen großen Teil davon weg.

Damit kommt man auf Dienstgeber- und Dienstgeberseite auf zusätzliche 2.218 Euro Lohnnebenkosten, für den Mitarbeiter schauen am Ende nur 1.524 Euro raus. Das sind geringfügig andere Zahlen als in Schellhorns Rechnung, was daran liegt, dass er mit den Werten von 2016 gerechnet hat. Das ist entschuldbar.

Schellhorn suggeriert mit der Beschriftung seines Taferl aber, dass mehr als die Hälfte des Lohnes “an den Staat” gehen. Das ist nicht ganz richtig. Denn während Lohnsteuer sowie Sozialversicherungsbeiträge wirklich an staatliche Institutionen gehen, rechnet Schellhorn auch die Kammerumlage ein, welche an die WKO geht. Und diese ist als Arbeitgebervertretung nun wirklich nicht der Staat. Ähnlich ist es mit dem Beitrag zur Mitarbeitervorsorgekassa: Diese ist nämlich immer ein privates Finanzinstitut und hat mit dem Staat nichts am Hut.

Wir bewerten Schellhorns Ausage damit insgesamt als halbrichtig.

EDIT vom 27. 02.: In einer früheren Version des Artikels ist von gesamten Lohnnebenkosten von 2.218 Euro die Rede, in Wirklichkeit sind es 2.128,48. Das war ein Tippfehler und wurde korrigiert. Danke an Armin Hübner, dem das aufgefallen ist.

Fotocredit Josef Schellhorn (Kleines Bild): Parlamentsdirektion / PHOTO SIMONIS