Die letzten Tage das Parlaments bringen einige spannende Diskussionen. Immerhin gibt es nach dem Koalitionsbruch theoretisch einige Mehrheiten, die sich bis Oktober organisieren könnten. So werden einige Anträge gegen den früheren Koalitionspartner beschlossen, andere einstimmig. Und in der Zwischenzeit streitet man munter weiter.

Ein Beispiel: Christoph Matznetter von der SPÖ gegen Robert Lugar vom Team Stronach. Nachdem die Partei des Milliardärs angekündigt hatte, nicht mehr zu kandidieren, wird der Kollege vom SPÖ-Wirtschaftsverband etwas ausfällig. Originaltext:

 

“So viele Dinge, die bar jeder Substanz sind, bringt kaum ein anderer Kollege hervor. Sie stellen sich hier vorher her und erklären, auf welchem Abstiegspfad Österreich sei. Herunterfalle. Sagn’s amal, lesen’s amal die Zeitung, Herr Lugar?

Selbst vor ein paar Tagen in der ‘Presse’, die ja wohl kein sozialistisches Kampforgan ist, hättens am siebten Juni lesen können, dass wir unter den Top 3 beim Wirtschaftswachstum sind in Europa. Vor uns ist nur Zypern, die nach der Finanzkrise Verluste aufholen, und Rumänien, die einen langen Weg zum Aufholen haben.

Unter den entwickelten Staaten innerhalb der EU ohne Bankenkrise wie in Zypern sind wir Nummer Eins, Herr Lugar. Und Sie stehen hier und erklären, wir fallen zurück. Wachen Sie mal auf in der Früh? Es ist wirklich kein Schaden, wenn sie nicht mehr kandidieren.”

(Die Rede von Matznetter ist noch bis 6. Juli in der TVThek verfügbar.)

 

Was schreibt also die “Presse”?

Lassen wir das Persönliche mal weg und widmen uns den Fakten. Ja, es gab diesen Artikel in der “Presse” – am 7. Juni 2016. “Vor ein paar Tagen” ist etwas Anderes. Bis auf die Aktualität stimmt aber, was Matznetter sagt. Die Zeitung schrieb:

 

“Nun hat Österreich laut Eurostat-Daten vom Dienstag einen starken Jahresbeginn hingelegt. Danach hat die österreichische Wirtschaft  im ersten Quartal des Jahres gegenüber den letzten drei Monaten 2015 das drittstärkste BIP-Wachstum in der EU verzeichnet. An der Spitze lag Rumänien mit einer Steigerung von 1,6 Prozent, gefolgt von Zypern mit 0,9 Prozent und Österreich mit 0,8 Prozent.”

 

Matznetters Aussage ist aber sehr stark verzerrt. Denn was er nicht dazusagt, ist, dass sich der Beitrag explizit auf das erste Quartal bezieht – und das noch dazu aus einem anderen Jahr.

Wie stehts also wirklich um das Wirtschaftswachstum?

Wenn man von “dem Wirtschaftswachstum” spricht, dann wird man aber eher nicht nur das letzte Quartal meinen. Und egal, welchen Zeitraum man sich sonst ansieht: Diese Aussage hält nicht. Zu diesem Urteil kommt man zumindest mit Zahlen der Wirtschaftskammer:

  • Wenn man sich die letzten nicht-vorläufigen Werte aus dem Jahr 2015 ansieht, liegt Österreichs Wirtschaftswachstum bei einem Prozent. Nur Griechenland (minus 0,2), Finnland (0,3) und Italien hatten einen niedrigeren Wert.
  • Nach den vorläufigen Zahlen von 2016 ist das Bild mit 1,5 Prozent zwar nicht mehr ganz so drastisch, aber es hatten immer noch 20 EU-Staaten bessere Wachstumszahlen.
  • Die Prognose für 2017 von 1,7 Prozent sieht Österreich auch bei weitem nicht in der Top 3 – aber wenn die Prognose eintritt, erreichen wir dieses Jahr immerhin wieder den EU-Schnitt.
  • Eine andere Prognose spricht mittlerweile etwas optimistischer von 2,4 Prozent Wachstum für 2017. Das wäre sogar über dem Schnitt.

Matznetter hat zwar irgendwo einen Punkt, wenn er andeutet, dass es wieder besser werden würde. Aber von “Top 3 beim Wirtschaftswachstum” zu sprechen und sich auf nur ein Quartal zu beziehen – auf ein Quartal des letzten Jahres noch dazu -, ist eine etwas gewagte Äußerung und grob out of context. Er delegitimiert mit “cherry-picking” die Kritik am niedrigen Wirtschaftswachstum. Außerdem bezieht er sich auf veraltete Daten. Insofern geben wir ein “Falsch”.

 

Übrigens: Auch dieses Jahr am siebten Juli gab es einen “Presse”-Artikel zum Wirtschaftswachstum. Aber die Aussagen waren ganz andere.

Fotocredit Christoph Matznetter (Kleines Bild): © Parlamentsdirektion / Mike Ranz | CC-BY 2.0