Wien ist anders. Die Hauptstadt Österreichs unterscheidet sich in vieler Hinsicht von der restlichen Republik. Auch in diversen Politikfeldern und diesbezüglichen Statistiken lassen sich diese Unterschiede vorfinden. So auch in den Bereichen Mobilität und Arbeit. In einem Interview vom 5. Jänner 2017 im Kurier verweist Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) auf die Sonderrolle Wiens hinsichtlich PendlerInnen. Auf die Frage bezüglich der Schaffung neuer Arbeitsplätze antwortet Häupl:

“Ich weiß nicht, ob das auf Dauer so funktioniert, dass wir 260.000 Jobs in Wien haben, die von Pendlern besetzt sind.”

Weiters argumentiert er, dass Wien somit die Arbeitsmarktprobleme anderer Bundesländer löst:

“Man muss nur sagen, dass Wien einiges an Arbeitsmarktproblemen anderer Bundesländer löst. Dafür möchte ich nicht  noch geschimpft werden.”

Ein interessanter Ansatz, wo doch regelmäßig Kritik an der Wiener Stadtregierung wegen der hohen Arbeitslosigkeit geübt wird. Tatsächlich ist Wien diesbezüglich mit 15 Prozent (142,713 Arbeitslose) Spitzenreiter in den aktuellen Statistiken. So ist es definitiv Wert, einen Blick auf jene Personen zu werfen, welche ihren Arbeitsplatz, wohl aber nicht ihren Wohnsitz in der Hauptstadt besitzen. Stimmt Häupls Zahl von 260.000 PendlerInnen? Wie sehr wirkt sich das auf die Arbeitslosenzahlen Wiens und anderer Bundesländer aus? Fakten schaffen Klarheit.

Die Erwerbs- und Pendlerstatistik

Aufschluss über diese Fragen bieten die Zahlen der abgestimmten Erwerbsstatistik 2014 – eine Erhebung initiiert durch die Statistik Austria. Aus dieser Statistik geht hervor, dass tatsächlich 265.269 EinpendlerInnen ihren Arbeitsplatz in Wien besitzen, jedoch ihren Wohnsitz in einem anderen Bundesland haben. Gleichzeitig pendeln 85.753 Personen von Wien in andere Bundesländer.

Eine Tatsache, die von Michael Häupl unerwähnt bleibt, wobei sie nichts daran ändert, dass Wien deutlich mehr Beschäftigte aus anderen Bundesländern besitzt als umgekehrt. Woher die PendlerInnen stammen, ist ebenfalls von der Statistik Austria erhoben worden:

 

Spitzenreiter in der Statistik ist also mit Abstand Niederösterreich, gefolgt von dem Burgenland und der Steiermark. Interessant ist auch, dass neben Wien nur Salzburg eine positive Pendlerbilanz besitzt. In allen anderen Bundesländern ist die Zahl der AuspendlerInnen höher als jene der EinpendlerInnen. Was die Arbeitslosenzahlen angeht, so ist es schwer zu sagen, ob ein Bundesland die Probleme des anderen löst oder nicht.

Fakt ist, dass doppelt so viele NiederösterreicherInnen in Wien einen Job haben, als in Niederösterreich selbst arbeitslos sind. Es ist anzunehmen, dass dieser Umstand jedoch mit der geographischen Situation und den ökonomischen Pull-Faktoren, die Wien als Millionenstadt besitzt, zusammenhängt. Da Wien gleichzeitig Großstadt und Bundesland ist, gelten hierbei natürlich andere Maßstäbe bezüglich Arbeitslosenzahlen.

Michael Häupls Aussage ist somit als richtig zu bewerten. Über 260.000 Jobs sind in Wien von PendlerInnen besetzt. Fakt ist auch, dass natürlich das Umland bezüglich der Arbeitsmarktsituation von der ökonomischen und demographischen Größe Wiens profitiert. Dass dieser Umstand weniger mit Häupls Politik, sondern einfach mit den Pull-Faktoren von Großstädten zusammenhängt, liegt nahe. Dennoch hält sich der Wiener Bürgermeister an die Fakten.

Fotocredit Michael Häupl (Kleines Bild): SPÖ Presse und Kommunikation | CC-BY-SA 2.0