Der längste Wahlkampf in der Geschichte der Zweiten Republik ist vorbei – Alexander Van der Bellen, der frühere Chef der Grünen, hat sich gegen den blauen Kandidaten Norbert Hofer mit 53,78 Prozent durchgesetzt. Das sorgte am Wahltag und danach natürlich für einige Diskussionen – unter anderem bei einem “Im Zentrum Spezial”, an dem Vertreter von vier Parlamentsparteien (SPÖ, ÖVP, FPÖ, Die Grünen) und der Politikwissenschaftler Anton Pelinka teilnahmen.

Im Laufe der Diskussion kam es auch zum Thema potentieller Angelobungen – Van der Bellen hatte ja im Verlauf des Wahlkampfes angekündigt, skeptisch gegenüber anti-europäischen Kanzlern zu sein (hier übrigens der Fact-Check dazu). Der Wiener FPÖ-Vizebürgermeister Johann Gudenus beantwortete dabei die Frage, ob die Freiheitlichen im Fall des Falles auch eine Präambel mit einem pro-europäischen Bekenntnis unterschreiben würden:

Also, ich glaube, klarer als wir sich zu Europa zu bekennen, kann man das nicht tun. Die FPÖ war die erste Pro-Europa-Partei in Österreich, schon vor vier, fünf Jahrzehnten, wo die anderen Parteien noch gar nicht soweit waren zu kapieren, was für eine Dimension diese Chance der europäischen Integration hat.

Johann Gudenus, Wiener Vizebürgermeister

Die grüne Parteichefin, Eva Glawischnig, reagierte darauf mit “Das ist mir jetzt neu”. Und in der Tat kann die Aussage überraschend und auf den ersten Blick falsch wirken. Auch auf Twitter wurde gespottet darüber, dass sich die EU-skeptischste Parlamentspartei mit Europafreundlichkeit brüsten will.

Aber: So falsch ist das gar nicht.

Zwar kann man nicht leugnen, dass die Freiheitlichen einen starken EU-skeptischen Kurs vertreten – trotzdem waren die Freiheitlichen schon in den 50er-Jahren für eine Annäherung zum Vorgänger der Europäischen Union, der Europäischen Gemeinschaft (EG). Die EG wurde 1957 von Frankreich, Italien, den Benelux-Staaten und Deutschland gegründet – die Wiederannäherung an Deutschland gilt als ursprüngliches Motiv des “dritten Lagers” für die pro-europäische Haltung. Der Verband der Unabhängigen (VdU), Vorgängerpartei der FPÖ, sah laut Parteiprogramm Österreich noch immer als “deutschen Staat”.

Außerdem war die FPÖ für den Beitritt zur Europäischen Union. 1989 stimmte sie für das Abhalten von Beitrittsgesprächen, bei der Volksabstimmung über den EU-Beitritt warb sie allerdings für ein “Nein”. Jörg Haider ließ “Nein zur grenzenlosen Kriminalität” plakatieren und forderte Neuverhandlungen.

Quelle: Demokratiezentrum

Seit der europafreundlichen Linie hat sich also viel getan: Präsidentschaftskandidat Hofer sagte, er würde heute nicht mehr für den Beitritt stimmen, und die FPÖ spielt immer wieder mit dem Öxit. (siehe Faktencheck zum Thema) Mit ihrer Meinungsänderung sind die Freiheitlichen übrigens nicht allein: Die Grünen, die heute für die “Vereinigten Staaten von Europa” werben, waren bei der Volksabstimmung gegen den Beitritt.

Somit lässt sich behaupten, dass die FPÖ recht früh eine pro-europäische Partei war – ohne Wertung, ob sie das heute noch ist. Aber war sie auch wirklich die erste?

Bei der Volksabstimmung zum EU-Beitritt wurde vor allem in der SPÖ die Kritik laut, eine EU-Mitgliedschaft gefährde die Neutralität. 1986 änderte sie ihre EU-skeptische Haltung allerdings und warb offensiver für eine Mitgliedschaft in der Europäischen Union. Bei der Volksabstimmung 1994 warb sie mit “Ja zu Europa” für einen Beitritt – genau wie die ÖVP, die “Wir sind Europäer. Österreicher bleiben wir” plakatierte.

Die ÖVP sah schon im Grundsatzprogramm von 1958 ihre „wirtschaftliche Zukunft Österreichs in Europa“. Nach dem EU-Beitritt Österreichs hat sich lange die Bezeichnung “Europapartei” für sie etabliert, da sie am längsten durchgehend für Europa warb – die FPÖ hatte zwar früher angefangen, aber ihre Meinung geändert. Die Freiheitlichen waren also wirklich sehr früh eine eher pro-europäische Partei – die ÖVP aber auch. Die Ersten waren sie nicht.

Die Aussage von Johann Gudenus ist somit halbrichtig.

Fotocredit Johann Gudenus (Kleines Bild): GuentherZ | CC-BY 3.0