In einem Interview mit dem “Standard” zweifelt Vizekanzler Heinz-Christian Strache den menschengemachten Klimawandel an und sagt: „Die Sahara war einmal die Kornkammer Roms und ist dann zur Wüste geworden.“ Dass sich das Klima verändert, habe mit “vielen Faktoren zu tun, aber sicher nicht mit Fabriken oder sonstigen Entwicklungen, die es damals gar nicht gab”. Seine implizite Behauptung: Das Klima verändert sich sowieso und der Mensch kann wenig dagegen tun.

Das ist nicht das erste Mal, dass Strache die Sahara als “Kornkammer Roms” bezeichnet. Schon zur Nationalratswahl 2013 sagte der damalige Oppositionschef in einer ORF-Konfrontation mit Michael Spindelegger: „Klimawandel war immer eine Entwicklung dieses Planeten, wo wir früher einmal in der Sahara die Kornkammer Roms hatten, wo wir Klimawandel im natürlichen Sinn erlebt haben.“ Aber stimmt das?

Nordafrika war Hotspot des Getreideanbaus

Michael Zach, Professor am Institut für Afrikawissenschaften, der sich mit der Geschichte Nord- und Nordostafrikas bestätigt, dass die Sahara nicht immer eine Wüste war. “In der Tat war jene Region, die heute als Sahara bekannt ist, von vor etwa 12.000 bis 7.000 Jahren fruchtbares Gebiet”, sagt Zach. An den damals großen Seen und Flussläufen wurden die Menschen sesshaft, das Gebiet war einer der “Hotspots”, an dem die Kultivierung von Getreide und die Domestizierung von Tieren ihren Anfang nahm. Nach und nach trocknete die Region aber aus, die Menschen zogen sich zurück – etwa in das Niltal. Das ist laut Zach in altägyptischen Texten gut beschrieben.

Auch in römischen Zeiten wurden in Nordafrika noch weitläufige Ländereien und Monokulturen wie Ölbaumplantagen angelegt – ein ausgeklügeltes Bewässerungssystem machte es möglich. Dort wurde der größte Teil der Getreideversorgung der Stadt Rom bestritten. “Die Kontrolle über diese Provinzen war für die römischen Kaiser essenziell, um nicht zu sagen überlebenswichtig”, sagt der Afrikawissenschaflter Zach. In der wissenschaftlichen Literatur sei die Bezeichnung “Kornkammer Roms” sogar ein Synonym für das antike Nordafrika.

Das große “Aber”

Jetzt kommt das große “Aber”: Das römische Nordafrika ist nicht mit dem Gebiet der heutigen Staaten vergleichbar. “Die Grenze des Imperiums lag etwa 150 Kilometer südlich der Mittelmeerküste am Rande der Steppen und Wüstengebiete und umfasste das fruchtbare Land, das später durch das Vordringen der Wüste reduziert wurde”, also nicht das Gebiet der heutigen Sahara.

Das bestätigt auch Sven Tost, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Alte Geschichte und Altertumskunde der Universität Wien. Die “Kornkammer Roms” lag bestenfalls an den Rändern der Sahara. Der durchschnittliche Jahresbedarf in Rom von ca. 250.000 Tonnen Getreide konnte kaum durch den Anbau im römischen Umland gedeckt werden. Rom war deshalb auf zusätzliche Lieferungen angewiesen, zunächst (ab 241 v. Chr) vor allem aus der Provinz Sizilien. Nordafrikanisches Getreide wurde als Steuerleistung, ein anderer Teil aus Verpachtung von Staatsland bezogen, erläutert Tost.

Später wurden dort weite Flächen im Rahmen eines kaiserlichen Großgrundbesitzes bewirtschaftet, was bis zur Gründung eines eigenständigen Vandalenreichs in Nordafrika (429 n. Chr. bis 533 n. Chr.) gut funktionierte. 30 v. Chr. hatte Rom mit der Provinz Ägyptus eine weitere “Kornkammer” in Afrika, die neben Rom vor allem Konstantinopel mit Getreide versorgte. Der Getreideanbau beschränkte sich aber wie gesagt auf die Regionen an der Mittelmeerküste.

Auch wenn Teile Nordafrikas also tatsächlich die “Kornkammern Roms” waren, gilt das nicht für das Gebiet der aktuellen Sahara. Die ist nämlich schon seit ca. 7.000 Jahren eine unfruchtbare Wüste.

Wir bewerten die Aussage von Vizekanzler Strache daher als falsch.

 

Edit: In einer früheren Version stand hier, dass 30 n. Chr. Rom mit Ägyptus eine weitere Kornkammer hatte. Ägypten wurde aber bereits 30 v. Christus provinzialisiert. Wir bedauern den Fehler. Danke an Sven Tost für den Hinweis.

Fotocredit Heinz-Christian Strache (Kleines Bild): Parlamentsdirektion / Photo Simonis