Im Tauziehen um die Macht in der ÖVP versucht Noch-Außenminister und Chef der Schwarzen in spe Sebastian Kurz, schnellstmöglich Nationalratswahlen durchzusetzen. In einer Erklärung am 12. Mai auf seiner Facebook-Seite und auf Twitter begründete er das unter anderem mit einer größeren demokratischen Legitimation: Schließlich seien Ex-Bundeskanzler Werner Faymann und Ex-Vizekanzler Michael Spindelegger die letzten gewählten Personen gewesen.

Das ist einerseits richtig. Die letzte Nationalratswahl fand 2013 statt – damals formten Werner Faymann (SPÖ) und Michael Spindelegger (ÖVP) eine große Koalition. Beide sind mittlerweile zurückgetreten. Mehr noch: Nur noch vier Regierungsmitglieder gehören ihr seit 2013 an, der Rest wurde ausgetauscht. Die Entscheidung, den beiden Regierungs- und Parteispitzen Reinhold Mitterlehner und Christian Kern nachfolgen zu lassen, kam jeweils von ihren Parteien. Was das angeht, hat Kurz recht.

Allerdings wurde auch Faymann bei der letzten Nationalratswahl nicht gewählt, sondern vom Bundespräsidenten unter Berücksichtigung der Mehrheitsverhältnisse im Nationalrat mit der Regierungsbildung beauftragt. Auch Faymann und Spindelegger wurden also nicht direkt gewählt – die Parteien, die sie im Nationalrat vertreten, haben sie vorgeschlagen. Dass die SpitzenkandidatInnen dafür tatsächlich vorgeschlagen werden, ist in Österreich durchaus üblich, ist aber so nicht zwingend in der Wahlordnung vorgesehen. Man wählt also “de facto” auch die Person mit, wenn man sich bei einer Nationalratswahl für eine Partei entscheidet.

Die fehlende Legitimation der aktuellen Regierung, die Kurz damit implizieren will, ist aber so nicht richtig. Die Mehrheiten im Parlament haben sich – bis auf wenige Wechsel der „Wilden“ – nicht geändert und ein Rücktritt von Kanzler- oder Vizekanzler hat auch bisher nicht automatisch zu Neuwahlen geführt.

Das zeigen nicht nur die Beispiele von Faymann und Spindelegger, sondern aktuell auch die Amtsübergaben von Josef Pühringer in Oberösterreich und Erwin Pröll in Niederösterreich, bei denen vonseiten der ÖVP auch keine Bedenken zur demokratischen Legitimität geäußert wurden. Eine Regierung ist “legitim”, solange das gewählte Parlament die Regierung unterstützt.

Kurz hat also Recht, wenn er sagt, dass Parteientscheidungen zum letzten personellen Stand der Besetzung von Kanzler- und Vizekanzlerposten geführt haben. Der Schluss, den Kurz suggeriert, dass deswegen Neuwahlen notwendig wären, ist allerdings nicht zulässig. Sie mögen von manchen gewünscht sein, sind aber nicht verbindlich vorgesehen. Daher gibt’s für Kurz’ Aussage ein knappes “halbrichtig”.

Fotocredit Sebastian Kurz (Kleines Bild): Ailura (Wikimedia Commons) | CC-BY-SA 3.0