Am Sonntag geht’s los: Die französische Präsidentschaftswahl 2017 startet mit dem ersten von zwei Wahlgängen. Dabei wird ermittelt, welche beiden Kandidaten in die Stichwahl kommen, sollte keiner der Kandidaten die absolute Mehrheit erreichen. Da das aber noch nie der Fall war und es zahlreiche Kandidaten gibt, ist der zweite Wahlgang schon recht sicher für den 7. Mai angesetzt. Mit der Wahl  wird nicht nur innerfranzösisches entschieden, auch die zukünftige Position zur EU wird davon betroffen sein. Wir haben alle wichtigen Fakten zu dieser europäischen Schicksalswahl zusammengetragen.

Wer, wie, was wird gewählt?

Das politische System Frankreichs

Wir in Österreich leben in der Zweiten Republik, die Franzosen aber bereits in der fünften. Diese ist eine demokratische Republik und existiert seit 1958, da es seitdem eine neue Verfassung gibt. Verfassungen legen fest, wie ein Staat funktioniert, wie er aufgebaut ist, wer welche Kompetenzen hat und kurz gesagt, wie Politik gemacht wird.

Die Verfassung von 1958 regelt unter anderem den “reservierten Bereich” des französischen Präsidenten in Sachen Außenpolitik. Der starke Präsident ist in Frankreich vor allem da, um Stabilität zu schaffen: Zuvor hielten Regierungen in Frankreich durchschnittlich nur acht Monate. Zwischen 1789 und dem Beginn der Fünften Republik hatte das Land 16 Verfassungen und erlebte Zeiten, in denen das Militär losgelöst von politischer Kontrolle agieren konnte.

Frankreich ist ein zentralistischer Staat. Zwar gibt es Regionen, allerdings haben diese anders als in föderalen Systemen relativ wenig Macht. Außerdem ist Frankreich ein laizistischer Staat. Das bedeutet, dass Staat und Religion strikt getrennt sind. Auch im aktuellen Wahlkampf ist diese Tradition Thema – der Umgang mit dem Islam und Kleidungsstücken wie Kopftuch, Burka und “Burkini” wird diskutiert. Genauso sind aber auch, anders als in Österreich, alle anderen Verbindungen zwischen Kirche und Politik in Frankreich verpönt.

In Frankreich werden nicht nur der Präsident, sondern auch die Nationalversammlung, der Senat, Departements, Regional- und Gemeinderäte direkt vom Volk gewählt. Lediglich die Regierungsbildung – also die Besetzung von Ministern – passiert nicht direkt-demokratisch, sondern durch den Präsidenten.

Was kann und macht der Präsident?

Frankreich hat ein semipräsidentielles politisches System. Ein Präsidialsystem ist ein Staat, an dessen Spitze ein Präsident steht. “Semi” deshalb, weil Frankreich natürlich auch ein Parlament hat und die Macht nicht alleine in den Händen des Präsidenten liegt. Trotzdem genießt der französische Staatschef eine riesige Machtfülle:

  • Atomwaffeneinsätze werden durch den Präsidenten entschieden (“Force de frappe”)
  • Immunität von strafrechtlicher Verfolgung
  • Kriminelle können von ihm begnadigt werden
  • Letztes Wort in allen außenpolitischen Angelegenheiten
  • Oberster Befehlshaber des Militärs

Zusätzlich bestimmt der Präsident seinen eigenen Premierminister und kann ihn jederzeit ersetzen. Der Premierminister schlägt dem Präsidenten seine Minister vor, und dieser wiederum ernennt sie. Der Präsident steht seinem Kabinett vor und ist demnach – anders als in Österreich – Vorsitzender des Ministerrats. Wenn die Partei des Präsidenten eine Mehrheit im Parlament hat, ist er also de facto Chef der Exekutive.

Im “Ausnahmezustand” hat der Präsident sogar die totale Kontrolle über die Exekutive. Und momentan befindet sich Frankreich im Ausnahmezustand. Nach den Terrorangriffen in Paris im November 2015 wurde der Ausnahmezustand beschlossen, nach dem Anschlag in Nizza mit Zustimmung des Parlament bis Juli 2017 verhängt. Das ist allerdings nicht wegen einer plötzlich errichteten Diktatur der Fall, sondern um den Behörden mehr Befugnisse im Kampf gegen den Terror zu ermöglichen.

Den französischen Präsidenten abzusetzen, ist schwierig. Ein “Impeachment” setzt eine Zweidrittelmehrheit im Parlament voraus. Umgekehrt darf der Präsident das Parlament einmal im Jahr auflösen. Nach maximal zwei Amtsperioden von je fünf Jahren ist allerdings Schluss – öfter darf dieselbe Person nicht kandidieren.

Ausgangslage

Die 2017er-Wahl ist aus verschiedenen Gründen spannender als die letzten. Unter anderem, weil der Amtsinhaber nicht antritt. Präsident François Hollande ist der unbeliebteste Präsident der Fünften Republik – schon im letzten Herbst fanden 88 Prozent der Franzosen, dass fünf Jahre unter ihm genug seien. Zu dieser Zeit war allerdings noch nicht fix, dass Hollande auf eine zweite Amtszeit verzichten würde. Beobachter sahen ein Duell zwischen Marine Le Pen und einem konservativen Kandidaten der Republikaner als wahrscheinlich.

Auch innerhalb der Parteien hat sich viel getan. Bei den Sozialisten galt Manuel Valls als Kandidat. Der bisherige Premierminister stand für einen “Rechtsruck” in der linken Regierung Hollande und sollte ein Signal gegen die unzufriedenstellende Politik von Hollande setzen. Nachdem dieser abgesagt hatte, legte er sein Amt nieder, um zu kandidieren – aber am Ende wurde es aber der linke Benoît Hamon. Auch Alain Juppé und der frühere Präsident Nicolas Sarkozy mussten sich in den Vorwahlen der Republicains überraschend geschlagen geben: Der Kandidat heißt Francois Fillon.

Nicht nur die Machtkonstellation, sondern auch der Stellenwert der Wahl hat sich verändert. Kurz nach dem Brexit und der Wahl von Donald Trump wird der 7. Mai – der Termin des zweiten Wahlgangs – als “Schicksalstag für Europa” beschrieben. Der Grund: Front National-Spitzenkandidatin Marine Le Pen wird mit ihrer Drohung eines “Frexit” vermutlich in die Stichwahl einziehen, um dort auf einen europhilen Gegner zu treffen. Die Wahl ist auch eine über die Zukunft von Frankreich in Europa.

Kandidaten

Die Favoriten

Emmanuel Macron tritt als Kandidat seiner eigenen Bewegung En Marche! an. Er war zwei Jahre lang Wirtschaftsminister unter François Hollande, schon zuvor dessen Berater. Das war insofern umstritten, als Macron zuvor bei einem wirtschaftsliberalen Think Tank und bei der Rothschild & Cie-Bank gearbeitet hatte. Im August 2016 stieg er aus der Regierung aus – vier Monate, nachdem er seine eigene Partei gegründet hatte.

Im November stieg Macron schon recht früh in das Rennen ein: Einerseits, um einer möglichen Kandidatur des Pro-Europäers Alain Juppé zuvorzukommen, andererseits, um nicht “Hollande einen Strich durch die Rechnung zu machen”. Zwar spart er mit Kritik an Hollande und betont, ohne ihn nicht in der Regierung gewesen zu sein. Gleichzeitig aber profiliert er sich als Alternative für Linke und die Mitte.

“Ich bin kein Sozialist. Ich bin in einer linken Regierung. Aber welche Bedeutung hat das? Wenn Sie Minister sind, dann doch Minister der Republik. Und dort dienen sie dem allgemeinen Interesse.”

Macron bezeichnet sich selbst als “wirtschaftsliberalen Linken”. In den Wahlkampf zieht er vor allem mit einem wirtschaftlichen Reformprogramm: Er kritisiert die 35-Stunden-Woche, fordert aber gleichzeitig die Auszahlung von Arbeitslosengeld an Angestellte, die selbst kündigen. Staatsanteile an Unternehmen will er verkaufen, das Pensionsalter von 62 soll unangetastet bleiben. Mit dieser Mischung aus linken und liberalen Forderungen kann Macron viele Wählerschichten ansprechen – aber auch bei vielen verlieren.

Marine Le Pen ist die Spitzenkandidatin des rechten Front National. Sie übernahm die Partei von ihrem Vater Jean-Marie Le Pen, der die Gaskammern als “Detail der Geschichte” bezeichnet hatte. 2002 schaffte er es überraschend in die Stichwahl – nur, um dort von einem cordon sanitaire, einer Allianz aller verbleibenden Kandidaten gegen die Rechtsextremen, mit nur 17 Prozent unterzugehen. Mittlerweile wurde er von seiner Tochter Marine aus der Partei ausgeschlossen, sie bemüht sich um ein gemäßigteres Image. 2012 erzielte sie mit 17,9 Prozent das beste Wahlergebnis des FN in der Geschichte.

Marine Le Pens Programm vereint verschiedenste Positionen. Die Preise für Gas und Elektrizität will sie um fünf Prozent senken, dazu will sie eine Lohnerhöhung um 200 Euro für Geringverdiener – unter anderem wegen solchen Forderungen, die teilweise offen protektionistisch sind, gilt der Front National als “neue Arbeiterpartei”. Gleichzeitig fordert sie die Begrenzung der Einwanderung auf 10.000 Migranten pro Jahr – dabei soll Frankreich darauf achten, qualifizierte Personen zu bevorzugen. Franzosen sollen am Arbeitsmarkt bevorzugt werden. Forderungen, die vor allem von Rechten kommen.

“If I don’t manage to negotiate with the European Union, something I wish, then I will ask the French to leave the European Union. And then you’ll be able to call me Madame Frexit.”

Aber auch die Hardliner-Positionen findet man noch in Le Pens Programm: Sie will einen starken Rechtsstaat und mehr Kompetenzen für die Polizei und null Toleranz bei Straftaten, auch wenn sie Todesstrafe nun doch nicht mehr einführen will. Außenpolitisch soll Frankreich auf nukleare Abschreckung bauen, innenpolitisch fordert sie Disziplin in der Schule und die Wahrung traditioneller Werte. Russland sieht sie als Teil Europas, die Türkei nicht. Neben dem Euro soll die alte Währung Franc wieder eingeführt werden, aus der NATO will sie austreten.

Das große Interesse an der Wahl in Frankreich ist vor allem Le Pen geschuldet. Sie will Frankreichs Souveränität wiedergewinnen und die EU verändern. Wenn das nicht möglich ist, will sie auch aus der Union austreten. Damit wäre als großer Player nur noch Deutschland über, das europäische Projekt quasi gescheitert. Dass es erneut einen cordon sanitaire geben wird – diesmal gegen den EU-Austritt -, ist nicht mehr sicher.

 

Die Herausforderer

François Fillon ist der frühere Premierminister unter Präsident Nicolas Sarkozy. Sein Erfolg in der Vorwahl war eine Überraschung – und eine Richtungsentscheidung. Statt des favorisierten, liberalen Pro-Europäers Alain Juppé und des früheren Amtsinhabers Sarkozy setzen die Republicains auf harte Ansagen. Zum Beispiel fordert Fillon, dass sich der Islam, in dessen Namen in den letzten Jahren viele Menschen getötet wurden, sich reformieren müsse:

 “The Islamic religion (must) accept what all the others have accepted in the past… that radicalism and provocation have no place here.”

Die “Zeit” bezeichnet ihn als “katholisch, kapitalistisch, konservativ” und sieht in seiner ruhigen, unpopulistischen Art eine Siegchance gegen Le Pen. Wirtschaftspolitisch wird er oft mit Margaret Thatcher verglichen, da er mit der etatistischen Tradition Frankreichs brechen will und den freien Markt beschwört. Er will 100 Milliarden Euro und 500.000 Beamte einsparen, sonst drohe Frankreich ein Schicksal wie Griechenland.

Diese Hoffnung ist seitdem etwas kleiner geworden – denn Fillon stolperte über Penelopegate. Er soll seine Frau Penelope und seine Kinder für parlamentarische Arbeit bezahlt haben, die nicht zu anstrengend war. Ein Video, in dem Fillon zuvor gesagt hatte, man könne Frankreich nur mit weißer Weste regieren, ist seitdem ein Meme geworden.

Ob Fillon diesen Skandal mit rechten und konservativen Positionen abfedern kann, bezweifeln die Meinungsforscher momentan – mit etwa 19 Prozent bleibt er etwas hinter Macron und Le Pen zurück.

Benoît Hamon hat sich überraschend als Kandidat der Parti socialiste durchgesetzt. Er ist eben nicht der erwartete Rechtsruck á la Manuel Valls, sondern bekämpfte als Hinterbänkler im Parlament genau diesen. 2014 schloss er sich einer Koalition von 40 Sozialisten an, die vehement gegen alles stimmten, was ihre eigene Regierung beschließen wollte. Damit stellte er sich auch gegen den “Verrat sozialistischer Werte”.

Wegen seiner etwas gewagten Forderungen werfen ihm Linke schon vor, bewusst nicht gewinnen zu wollen. Im Wahlkampf machte Hamon mit den Themen Marihuana-Legalisierung, Robotersteuer und Grundeinkommen auf sich aufmerksam – alles futuristische Punkte, die eher Nischen ansprechen dürften. Sein größter Punkt ist allerdings die Ausrufung der Sechsten Republik – also eine neue französische Verfassung, die dem Parlament und dem Volk mehr und dem Präsidenten weniger Macht einräumt.

“This is about looking into the future. That is what I am here for. This [result] shows you that there is a real desire to turn the page.”

Seine Prinzipientreue und sein Mut zu solchen Forderungen geben ihm eine gewisse Authentizität. Es wird sich allerdings erst zeigen, ob ihn diese auch sympathisch genug macht. Umfragen sehen Hamon konstant auf etwa acht Prozent und somit nicht in der Stichwahl.

Jean-Luc Mélenchon ist der Linksaußen-Kandidat von La France Insoumise – einer eigens dafür gegründeten Partei. Seine Kandidatur startete nämlich insofern überraschend, als er sich wegen der offenen Vorwahlen der Linken von seiner Partei lossagte und in einem Fernsehinterview verkündete, als unabhängiger Kandidat anzutreten.

Wie der linke Hamon ist auch er ein Kritiker von Sparkursen und liberaler Wirtschaftspolitik. Er fordert eine Erhöhung des Mindestlohnes auf 1700 Euro, eine Verringerung der Wochenarbeitszeit, die Verstaatlichung von Unternehmen und die Abschaffung privater Zusatzversicherungen. Am Ende seiner Amtszeit solle es keine Obdachlosen mehr geben, gibt Mélenchon als Leitlinie vor.

“The Europe of our dreams is dead. We either change the EU or quit it.”

Von der Parti Socialiste unterscheidet ihn vor allem die außenpolitische Vision. Putins Russland will er sich annähern, aus der NATO will Mélenchon aussteigen. Im Syrien-Konflikt spricht er sich für eine Allianz zwischen Frankreich und dem Diktator Bashar al-Assad aus, außerdem will er die “Bolivarische Allianz für Amerika” unterstützen, die aus Venezuela und Kuba besteht. Frankreichs Beziehung mit der Europäischen Union will er neu verhandeln – und genau wie Le Pen will auch er bei schlechtem Ausgang die Union verlassen.

Trotz seiner kontroversen Vorschläge – oder wegen ihnen – sieht es erstaunlich gut für den Linken aus. Er könnte von den schwachen Werten Hamons am meisten profitieren: 2012 konnte er 11 Prozent der Stimmen für sich gewinnen, heute steht er in Umfragen auf 20. Kurzfristig überholten seine Werte sogar Le Pen und sahen ihn gegen Macron in der Stichwahl. Er sieht also die Chance auf eine Revolution.

“Ferner liefen”

François Asselineau war früher Generalinspekteur für Finanzen und tritt heute für die Union Populaire Républicaine zur Wahl an. In den 90er-Jahren war er im Wirtschaftsministerium für Außenhandel mit Asien zuständig und beriet den damaligen Minister für Industrie und Außenhandel in Fragen der internationalen Politik. Diese Erfahrung mit Weltpolitik schlägt sich auch in seinem wesentlichen Programm nieder: Er will den Austritt von Frankreich aus Eurozone, EU und NATO.

Jacques Cheminade gründete in den 90er-Jahren seine Partei Solidarité et progrès und tritt gerade zum dritten Mal bei einer Präsidentschaftswahl an. Er sieht die Globalisierung als größte Gefahr für Frankreich und will den diffusen “Raubzug”, zum Beispiel durch EU, NATO oder “die Wall Street”, beenden. Trotzdem ist er für eine Union von Ländern mit gemeinsamen Werten. 2012 erhielt er 0,25 Prozent der Stimmen – nichts weißt darauf hin, dass er sich diesmal steigern könnte.

Jean Lassalle ist ein recht unbekannter Kandidat aus den Pyrenäen, der sich für die Landbevölkerung stark machen will. Bekannt ist er durch einen Hungerstreik, durch den er die Standortverlegung einer Firma aus seiner Region verhinderte. Über konkrete Vorschläge zu aktuellen Themen wissen die Franzosen allerdings immer noch zu wenig. Aber immerhin: Er und seine Plattform Resistons! kommen in Umfragen auf ein Prozent der Stimmen.

Nathalie Arthaud ist die Sprecherin der “trotzkistischen Arbeiterpartei”. Diese tritt seit 1974 zu Präsidentschaftswahlen an und konnte bis zu fünf Prozent der Wähler für sich überzeugen, 2012 allerdings reichte es aber nicht mal für ein Prozent. Auch damals hieß die Spitzenkandidatin Arthaud. Heute hat sie mit der Arbeitsmarktreform der Regierung und dem “Verrat linker Werte” von Hollande genug Munition für ihren Wahlkampf – Umfragen sehen sie aber auf maximal einem Prozent.

Nicolas Dupont-Aignan ist ein ehemaliger Abgeordneter der Republicains, der mit seiner neuen Partei Debout la France selbst ganz nach oben will. Sein Programm richtet sich im Wesentlichen an die Veränderung der Politik selbst: Es soll weniger Abgeordnete und mehr Referenden geben, außerdem wünscht er sich eine Wahlpflicht. Schon 2012 kandidierte er und kam auf 1,7 Prozent der Stimmen – in heutigen Umfragen kommt er auf bis zu vier. Das ist eine respektable Steigerung, die er wohl vor allem frustrierten Wählern von Sarkozy, Juppe und Fillon zu verdanken hat – reichen wird das aber eher nicht.

Philippe Poutou ist Kandidat der “neuen antikapitalistischen Partei”. Er ist Arbeiter ohne Schulabschluss und Gewerkschafter, der sich in der Politik für die Arbeiterinteressen stark machen will. Bekannt wurde er, als er als mit Ford über die Streichung von 2000 Arbeitsplätzen verhandelte und diesen Konflikt auch in die Medien zog. Auch er stellt sich gegen die Arbeitsmarktreformen der Regierung Hollande und nutzt die Präsidentschaftswahl als Plattform für seine Ideen.

Was wird also passieren?

Themen

Ein dominantes Thema in Frankreich ist Migration – etwas, das oft mit Sicherheit vermischt wird. Angesichts der islamistischen Anschläge der letzten Jahre ist nicht nur die Xenophobie, sondern auch die Angst vor Terror in Frankreich aktuell – ein Thema, das vor allem Marine Le Pen bedient. Ängste vor Überfremdung und Terror, aber auch Angst um Arbeitsplätze sind bestimmende Themen im Wahlkampf.

Insofern ist auch Wirtschaft wichtig. Auf der einen Seite wollen Emmanuel Macron und François Fillon wirtschaftliche Reformen, die Frankreichs Wirtschaft wieder in Schwung bringen sollen, auf der anderen fordern Jean-Luc Mélenchon und Marine Le Pen protektionistische Maßnahmen und stellen sich gegen liberale Wirtschaftsweise. Auch die Grundsatzfrage des Kapitalismus ist in Frankreich also Wahlkampfthema – nicht überraschend angesichts der starken, wenn auch zersplitterten Linken.

Außerdem diskutiert ganz Frankreich über die Vergangenheit. Eine Angelegenheit, bei der die Franzosen empfindlich sind. Macrons Sager, die Kolonisierung von Algerien sei ein “Verbrechen gegen die Menschheit”, sorgte für einiges an Diskussion. Marine Le Pen wiederum behauptete, Frankreich sei nicht schuld an den Deportationen von Juden im Zweiten Weltkrieg. Auch, wenn sie im Nachhinein das Vichy-Regime (die französische Regierung der Nazizeit) verurteilte – ihre Verharmlosung der Nazi-Verbrechen erinnert viele an ihren Vater Jean-Marie.

Was sagen die Meinungsforscher?

Nach der Wahl Donald Trumps und dem Brexit-Referendum sind die Meinungsforscher vorsichtiger geworden. Weil es zwei Wahlgänge gibt, ist der endgültige Sieger ohnehin schwer vorauszusagen. Dazu kommt, dass Wähler systemkritischer Parteien oft auch den Umfrageinstituten misstrauen und ihnen – wenn überhaupt – falsche Antworten liefern. Bis vor einem halben Jahr führte Marine Le Pen die Umfragen mit um die 30 Prozent an – wohl aber auch deshalb, weil sie praktisch schon seit Jahren als Kandidatin des Front National feststeht, während die anderen Parteien noch mit Vorwahlen beschäftigt waren.

Seit März sagen die Meinungsforscher ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Macron und Le Pen voraus. Sollte es Macron in die Stichwahl schaffen, gehen Experten davon aus, dass sich – wie 2002 in Frankreich oder auch im österreichischen Bundespräsidentschaftwahlkampf 2016 – eine Allianz gegen rechts bilden könnte, die Le Pen als Präsidentin verhindert. Gleichzeitig könnten aber auch viele Frustrierte, die zum Beispiel Mélenchon wählen, im zweiten Wahlgang niemanden wählen.

Interessant sind auch die Wettquoten: Bei den meisten Portalen hat Macron die niedrigste Quote – die Buchmacher räumen ihm also die höchste Chance ein. Circa 1,70 Euro bekommt man für einen gesetzen Euro zurück, falls der En Marche!-Kandidat Frankreichs nächster Präsident wird. Sollte die FN-Kandidatin die Wahl für sich entscheiden können, wartet der dreifache Gewinn. 51 Prozent der Wetten laufen trotzdem übrigens trotzdem auf Le Pen.

Egal ob Macron, Fillon oder Mélenchon mit Le Pen in die Stichwahl kommt: Laut den Meinungsforschern dürfte der Front National gegen jeden der Gegenspieler klar unterlegen sein. Diese Selbstsicherheit könnte aber zusätzliche Le-Pen-Wähler mobilisieren und ihrem Herausforderer den Sieg kosten. Die  Umfragen, vor allem zum zweiten Wahlgang, sind also bestenfalls mehr als Spekulationen. Nicht umsonst hat die Nationale Meinungsforschungskommission -vergeblich – empfohlen, keine Umfragen mehr zu hypothetischen Stichwahlen zu veröffentlichen.

 

Weiterführende Links:

As goes France, so goes the EU – POLITICO Europe

Beleaguered Fillon fights for political life – POLITICO Europe

Der Anti-Populist muss zittern – Blick

Francois Fillon: Kann dieser Mann Le Pen stoppen? – ZEIT Online

Fillon: Frankreich droht das Schicksal Griechenlands – Die Presse

Jean-Luc Mélenchon: the video game – POLITICO Europe

Le Pen wants to kill the European Union. But it actually helps pay her bills – The Independent

Macron ist schwul, NOT! – ZEIT Online

Marine Le Pens entlarvendes Geschichtsbild – derStandard.at

Meet Jean-Luc Mélenchon’s army of abstainers – POLITICO Europe

Mit linken Ideen auf der Jagd nach der Mehrheit – derStandard.at

Nicolas Sarkozy, end of the dream – POLITICO Europe

Wife of French presidential candidate Fillon held for questioning – Reuters

Wo der Front national die meisten Wähler mobilisiert – NZZ