Vergangenen Mittwoch lieferten sich Bundeskanzler Christian Kern und FPÖ-Obmann Heinz-Christian-Strache bei Ö1-Klartext ein Duell, das Kern im Nachhinein als überraschend “amikal” nannte. Obwohl die beiden inhaltlich immernoch sehr viel trennt, wurde der freundliche Ton von vielen als Annäherung zwischen SPÖ und FPÖ angesehen.

Dem Vorschlag Straches, anstatt der EU lieber Beziehungen mit Österreichs Nachbarländern zu forcieren, konnte Kern wenig abgewinnen. Die Visegrad-Gruppe verdiene laut ihm gut daran, in Österreich durch Entsendungen Sozialdumping zu betreiben, entsprechende Gesetze könnten nur auf europäischer Ebene durchgesetzt werden.

Konkret spricht Kern von 160.000 Menschen, die auf den österreichischen Arbeitsmarkt entsandt werden.

Für 2016 gibt es noch keine öffentlichen Daten. Auf Nachfrage gab das Bundeskanzleramt die Zahlen für das laufende Jahr heraus.

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Demnach gab es bis August 111.828 Entsendungen. Trägt man den monatlichen Durchschnitt bis zum Jahresende fort, kommt man tatsächlich auf gut 167.000 – mit Augenmerk auf “Entsendungen”. Denn ein Arbeiter kann auch mehrmals pro Jahr, z. B. zu verschiedenen Baustellen, nach Österreich geschickt werden, und damit doppelt zählen. Auch das AMS weist in einem Bericht darauf hin, dass es unmöglich ist, die genaue Anzahl von Personen zu ermitteln.

Zahlen gibt es aber von letztem Jahr: 2015 gab es 133.679 Entsendungen, die Menschen kommen vor allem aus Ungarn (23,5 %), Deutschland (22,2 %) und Slowenien (15,4 %). Aber bleibt jeder dauerhaft im Land und ersetzt damit einen österreichischen Arbeitnehmer? Bei weitem nicht. Laut einer Studie von L&R Sozialforschung betrug die durchschnittliche Entsendedauer 71 Tage (Median 23 Tage) , in der natürlich auch nicht durchgehend gearbeitet wird. Rechnet man die geleistete Arbeit auf Vollzeitarbeitsplätze um, kommt man auf ca. 17.500.

Kern suggeriert mit seiner Aussage, dass ausländische Arbeitnehmer den Österreichern 160.000 Arbeitsplätze “wegnehmen”. Bei der Zahl handelt sich aber um nicht um Personen, sondern um die Anzahl der Entsendungen. Nicht jede davon ersetzt einen österreichischen Arbeiter. Die ausländischen Arbeiter bleiben durchschnittlich weniger als drei Monate im Land und können in der Statistik mehrfach erfasst werden. Rechnet man mit Vollzeitäquivalenten, kommt man auf eine weitaus harmlosere Zahl.

Die Aussage des Bundeskanzlers ist daher falsch.

Fotocredit Christian Kern (Kleines Bild): BKA / Andy Wenzel