Nach der Präsentation der Pläne von Kern und Schelling diese Woche hätte es bei Im Zentrum am 15.01.2017 eigentlich viel zu diskutieren gegeben. Reinhold Mitterlehner, Heinz-Christian Strache, Peter Kaiser und Margit Schratzenstaller grasten aber nur brav alle vorgegebenen Themenblöcke von Mindestlohn, Zukunftsplänen der Regierung, der Pflegesituation bis hin zur Zuwanderung ab. Die Konfrontation verlief zumeist sachlich. Bis sich am Ende der Sendung  für Parteiobmann Strache eine gute Gelegenheit bot, um noch etwas zum Thema Staatsbürgerschaft loszuwerden:

„Wir haben heute Gesetze durch diese Regierungsparteien beschlossen, wonach jemand, der den Asylstatus erlangt, der muss nur sechs Jahre im Land sein, bekommt automatisch die Staatsbürgerschaft und es wird überhaupt nicht geprüft: hat er sich integriert, spricht er Deutsch, arbeitet er, zahlt er Steuern, hat er sich brav verhalten oder ist er kriminell geworden. Nichts wird dergleichen überprüft. Das ist ein Automatismus, der von der Regierung beschlossen worden ist, dass jemand, der den Asylstatus hat, nach sechs Jahren automatisch die Staatsbürgerschaft bekommt.

Das ist gleich mehrfach falsch.

Die Staatsbürgerschaft ist in Österreich nämlich weder besonders einfach zu erhalten, noch gibt es einen Automatismus, um die Staatsbürgerschaft zu bekommen. Im europäischen Vergleich zeigt sich, dass das österreichische Staatsbürgerschaftsrecht sogar äußerst restriktiv ist. Außerdem werden die von Strache genannten Kriterien anders als behauptet vom Staat überprüft. Und nicht zuletzt sind die sechs Jahre Aufenthaltszeit per se ebenfalls falsch.

Aber von Anfang an. Was muss man tun, um österreichischer Staatsbürger zu werden?

Die einfachste Möglichkeit, die österreichische Staatsbürgerschaft zu erhalten, ist, das Kind von Österreichern zu sein. Österreich hat sich hier, mit einigen Mischformen, dem sogenannten ius sanguinis, verschrieben. Dieses Abstammungsprinzip sieht vor, dass Kinder von Österreichern Österreicher werden, wobei der Geburtsort eine geringe Rolle spielt. Auch Kinder österreichischer Eltern, die im Ausland geboren werden, erhalten so die Staatsbürgerschaft. Das führt umgekehrt auch dazu, dass jedes sechste Kind, das in Österreich zur Welt kommt, das sind mehr als 10.000 jedes Jahr, zwar hier geboren und aufgewachsen ist, allerdings keine Staatsbürgerschaftsrechte hat. [1] Grund dafür ist, dass ihre Eltern keine österreichischen Staatsbürger sind. Einen Automatismus, dass diese in Österreich geborenen Kinder die Staatsbürgerschaft erhalten, gibt es nicht.

Für sie gibt es einzig eine Erleichterung bei der zweiten Möglichkeit österreichischer Staatsbürger zu werden: den Erwerb der Staatsbürgerschaft auf Antrag.

Hier ist die Regelzeit zehn Jahre ununterbrochener und rechtmäßiger Aufenthalt. Außerdem müssen einige Voraussetzungen erfüllt werden:

  • Nachweis von Deutschkenntnissen, mindestens auf dem Niveau B1
  • Nachweis von Grundkenntnissen der demokratischen Ordnung und der Geschichte Österreichs sowie dem Bundesland, in dem der Wohnsitz ist („Staatsbürgerschaftstest”[2])
  • Unbescholtenheit
  • Nachweis eines hinreichend gesicherten Lebensunterhalts ohne Bezug von Sozialleistungen über einen Zeitraum von mindestens drei Jahren (in einer Höhe, die 30-40% der österreichischen Arbeiter und 60-70% der österreichischen Arbeiterinnen nicht erfüllen könnten![3])
  • Bejahende Einstellung zur Republik Österreich ohne Gefahr auf Störung der öffentlichen Ruhe, Sicherheit und (internationalen) Interessen Österreichs
  • Aufgabe der bisherigen Staatsbürgerschaft (was oft zu Visaproblemen oder Verlust von Eigentum im Ursprungsland führt)

Diese Voraussetzungen müssen alle gemeinsam erfüllt werden. Kann ein Punkt nicht erfüllt werden, wird auch die Staatsbürgerschaft nicht verliehen.

Diese Form der Einbürgerung bleibt aber trotz alledem eine “Ermessenseinbürgerung”: Österreich könnte einen Antrag also theoretisch einfach ablehnen. Einen Rechtsanspruch auf die österreichische Staatsbürgerschaft erhält man erst nach 30 Jahren Aufenthalt oder nach 15 Jahren Aufenthalt und sogenannter “nachhaltiger Integration”. Die oben genannten Voraussetzungen müssen dabei aber natürlich trotzdem erfüllt werden.

Das ist ziemlich lang, vor allem wenn man bedenkt, dass bei jedem längeren Auslandsaufenthalt von vorne zu zählen begonnen wird und dass, etwa bei Asylwerbern, erst ab dem Tag, an dem der Asylstatus anerkannt wird, ein rechtmäßiger Aufenthalt besteht.

Die durchschnittliche Wartefrist auf eine Einbürgerung beträgt elfeinhalb Jahre, auch wenn das gesetzliche Minimum bei sechs beziehungsweise zehn Jahren liegt.[4] Deshalb gibt es für bestimmte Bevölkerungsgruppen eine schnellere Variante einer Ermessenseinbürgerung.

Nach sechs Jahren kann man eingebürgert werden, wenn man EWR-Bürger ist, in Österreich geboren wurde, anerkannter Flüchtling ist oder mit einem Österreicher verheiratet ist. Auch hier gilt natürlich, dass die oben genannten Kriterien erfüllt werden müssen.

Außerdem gibt es seit der Novelle von 2013 auch die Möglichkeit, nach sechs Jahren eingebürgert zu werden, wenn man besonders gut integriert ist. Dies ist der Fall, wenn man entweder Sprachkenntnisse auf einem Niveau von B2 nachweisen kann oder wenn man mindestens drei Jahre ehrenamtlich oder in einem Interessensverband tätig war oder wenn man mindestens drei Jahre einen Beruf im Sozial-, Gesundheits- oder Bildungswesen ausgeübt hat.

Bei allen Einbürgerungen, egal ob nach sechs, zehn, 15 oder 30 Jahren muss aber auf jeden Fall ein Antrag gestellt werden.[5] Es gibt also keinen Automatismus, dass einen der österreichische Staat nach Erfüllung der Voraussetzungen und des Zeitraums automatisch zum Österreicher macht.

Zusammengefasst ist Straches Aussage also falsch. Einerseits werden – anders als vom FPÖ-Obmann behauptet – Einkommen, Unbescholtenheit und Sprachkenntnisse überprüft. Andererseits gibt es auch keinen Automatismus zur Einbürgerung. Die Mindestdauer von sechs Jahren Aufenthalt in Österreich ist zwar in einigen Fällen richtig, praktisch aber nie gegeben. Alles in allem ist Straches Aussage damit nicht richtig.

 

 


[1] Valchars, Gerd (2013): Staatsbürgerschaft in Österreich. Über den Ausschluss von Mitgliedschaft. In: Hussl, Elisabeth et al. (Hg.): Standpunkte. Gaismair-Jahrbuch 2014. Studienverlag, Innsbruck/Wien/ Bozen. 2013. S. 53

[2] Perchinig, Bernhard (2010): All you need to know to become an Austrian: Naturalisation Policy and Citizenship Testing in Austria. In: Van Oers, Ricky/Ersbøll, Eva/Kostakopoulou, Dora: A Re-definition of Belonging? Brill, Den Haag. S. 25-50

[3] Stern, Joachim (2012): Ius Pecuniae – Staatsbürgerschaft zwischen ausreichendem Lebensunterhalt, Mindestsicherung und Menschenwürde. In: Dahlvik, Julia/Fassmann, Heinz/ Sievers, Wiebke (Hg.): Migration und Integration – wissenschaftliche Perspektiven aus Österreich. Jahrbuch 1/2011, V&R unipress, Göttingen. S. 60

[4] Valchars, Gerd (2013): Staatsbürgerschaft in Österreich. Über den Ausschluss von Mitgliedschaft. In: Hussl, Elisabeth et al. (Hg.): Standpunkte. Gaismair-Jahrbuch 2014. Studienverlag, Innsbruck/Wien/ Bozen. 2013. S. 52

[5] Valchars, Gerd (2006): Defizitäre Demokratie. Staatsbürgerschaft und Wahlrecht im Einwanderungsland Österreich. Braumüller, Wien. Kapitel 3: Allgemeine Prinzipien der Staatsangehörigkeit. Exemplarischer Ländervergleich. S. 31

Weiterführende Literatur:

Brubaker, Rogers (2000): Staatsbürgerschaft als soziale Schließung; in: Klaus Holz (2000):
Staatsbürgerschaft; Wiesbaden: Westdeutsche Verlag, 73-91.

Reichel, David (2010): Staatsbürgerschaft und Integration. Die Bedeutung der Einbürgerung für
MigrantInnen in Hinblick auf ihre soziale und ökonomische Integration, Wien: Dissertation Universität
Wien.

Rosenberger, Sieglinde (2012): Inklusive Demokratie? Die politischen, sozialen und religiösen
Rechte von Wohnbürgern ohne österreichische Staatsbürgerschaft. In: Helms, Ludger/
Winerother, David M. (Hg): Die österreichische Demokratie im Vergleich. Nomos, Baden-Baden. S. 383-402.

Fotocredit Heinz-Christian Strache (Kleines Bild): Parlamentsdirektion / Photo Simonis