Bundeskanzler und SPÖ-Chef Christian Kern und FPÖ-Spitzenkandidat Heinz-Christian Strache leiteten letzten Mittwoch die Duell-Phase des Wahlkampfs ein. Strache warf Kern in der Ö1-Sendung eine hohe Steuerquote vor, Kern hielt dagegen und behauptete, diese sei in der schwarz-blauen Zeit am höchsten gewesen.

Strache: Im Wesentlichen natürlich ist das die Verantwortung von zehn verlorenen rot-schwarzen Jahren, wo man auch erleben musste, dass, ja, die höchste Steuer- und Abgabenquote der Fall ist. Und Menschen, vom Arbeitnehmer bis Angestellten und Unternehmen, die fleißig arbeiten, in Wahrheit für einen rot-schwarzen Verwaltungsspeck arbeiten müssen. Und da sag ich: Wir bringen den Österreicherinnen und Österreichern das zurück, was die rot-schwarze Regierung ihnen in den letzten Jahren gestohlen hat.

Moderator: Gut, eine Replik.

Kern: Naja, es ist so. Ich schätze das immer, wenn man entlang der Fakten diskutiert. Und was der Herr Strache gesagt hat, das ist aus seiner Oppositionsbrille halt der Text, den er hier bringen muss. Die Realität ist aber durchaus eine andere. Weil die Steuer- und Abgabenquote war am höchsten in der schwarz-blauen Ära.

Doch was ist die Steuerquote eigentlich genau? Mit der Steuer- und Abgabenquote wird das Bruttoinlandsprodukt (BIP) mit dem Steueraufkommen in Verhältnis gesetzt. Erhielt der Staat in einem Jahr beispielsweise 50 Milliarden Euro an Steuern und Abgaben, während das BIP 100 Milliarden Euro beträgt, liegt die Steuerquote bei 50 Prozent. Die Steuerquote sagt aber nicht aus, wie sehr Personen oder Unternehmen belastet werden, da der Staat das eingenommene Geld, z. B. durch Förderungen, wieder ausgibt.

2016 lag die Steuer- und Abgabenquote in Österreich bei 43,4 Prozent. Will man die Zahlen jedoch mit jenen aus früheren Jahren vergleichen, stößt man auf ein Problem: 2010 gab es bei der Statistik Austria eine Methodenänderung. So wurden beispielsweise bis 2010 ORF-Gebühren als staatliche Abgaben behandelt, was jetzt nicht mehr der Fall ist. Daher sind die Zahlen nur bedingt vergleichbar. Da für Jahre mit den höchsten Steuerquoten aber ohnehin Daten nach der ESVG-Methode (Europäische System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen) von 2010 vorliegen, werden nachfolgend diese verwendet.

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Den Höchstwert erreichte sie – und damit hat Kern Recht –  mit 45,4 Prozent im zweiten Jahr der schwarz-blauen Koalition 2001. Laut Statistik Austria war der rasante Anstieg um 1,5 Prozentpunkte vor allem auf eine massive Erhöhung der Einkommens- und Vermögenssteuern zurückzuführen.

In den Jahren danach sank die Steuerquote aber wieder sehr stark, 2006 betrug sie nur mehr 41,7 Prozent. Über die Jahre gerechnet hob die schwarz-blaue Regierung durchschnittlich 43,6 Prozent des BIPs an Steuern ein – was wiederum nicht der höchste Wert ist. Denn während der rot-schwarzen Regierung unter Viktor Klima 1997 bis 2000 betrug die Steuerquote 45,1 Prozent.

Richtig an Kerns Aussage ist also, dass die Steuerquote in der blau-schwarzen Ära ihren Höhepunkt erreichte, die über die Regierungsdauer gerechnete, durschnittliche Steuerquote war aber schon einmal höher. Dafür gibt es von uns ein Halbrichtig.

Fotocredit Christian Kern (Kleines Bild): BKA / Andy Wenzel