Turbulente politische Zeiten in Österreich. Nach dem Rücktritt von Vizekanzler Mitterlehner, dem Koalitionsbruch und dem angekündigten “freien Spiel der Kräfte” tritt auch Eva Glawischnig zurück. Als Gründe nennt die bisherige Grünen-Chefin unter anderem die Unvereinbarkeit von Familie und Beruf und die persönliche Belastung – Politik sei ein hartes Geschäft.

Umso stolzer wirkt Glawischnig, als es um ihre Leistungen als Parteichefin geht. Sie zählt die Ergebnisse der Landtagswahlen auf, wo die Grünen sich verbessern konnten, verweist auf Regierungsbeteiligungen in den Bundesländern. Und ihr großes Projekt?

“Dann das Projekt ‘Van der Bellen in die Hofburg’. Der erste grüne Präsident Europas. Das habe ich maßgeblich betrieben und unterstützt. Und wir haben gesehen, was alles geht und was alles möglich ist.”

Klar, Glawischnig und ihre Partei haben Van der Bellen im Wahlkampf unterstützt und er ist ein Ex-Grüner. Trotzdem: Das ist aus zwei Gründen falsch.

Der Bundespräsident ist unabhängig

Im Wahlkampf von Alexander Van der Bellen wurde stets betont, dass er ein unabhängiger Kandidat sei. Er selbst sagte ebenfalls, dass er ein Bundespräsident “für alle Österreicherinnen und Österreicher” sein wolle. Und während sich die Grünen im Wahlkampf mit eigenen Forderungen zurückhielten, zeigten sie sich natürlich erfreut darüber, dass ihr (Ex-)Parteimitglied gute Chancen auf den Einzug in die Hofburg habe.

Jetzt ist also theoretisch die Frage, was gelogen ist. Szenario 1: Van der Bellen ist nicht unabhängig. Szenario 2: Van der Bellen ist kein grüner Bundespräsident. Wenn wir vom Selbstverständnis des Bundespräsidenten ausgehen und seine Unabhängigkeit akzeptieren, kann man das Argument allerdings immer noch gelten lassen – immerhin war Van der Bellen lange Parteiobmann der Grünen und steht ihnen zumindest nahe. Das alleine genügt also nicht nicht für ein “falsch” – aber das ist nicht das Einzige, was an dieser Aussage stört.

Es gibt schon einen grünen Präsidenten

Denn es gibt in Europa einfach schon einen Grünen an der Staatsspitze. Nämlich Raimonds Vejonis, den lettischen Staatspräsidenten. Der frühere Verteidigungsminister wurde schon 2015 zum Präsidenten gewählt – und wurde laut Angabe der “Global Greens” der erste grüne Präsident weltweit. Zwar stellen diese auch fest, dass Van der Bellen das erste vom Volk gewählte Staatsoberhaupt ist – aber das hat Glawischnig nicht gesagt.

Fazit

Glawischnigs Aussage ist sehr unpräzise. Hätte sie dazugesagt, dass Van der Bellen der erste vom Volk gewählte Bundespräsident sei, und davon ausginge dass man den unabhängigen Kandidaten den Grünen zurechnen darf, dann könnte man ein “Halbrichtig” diskutieren. Aber es gibt bereits einen grünen Präsidenten in Europa, und Van der Bellen ist nicht dezidiert als Grüner angetreten. Glawischnig darf sich die Leistung im Wahlkampf natürlich gerne anrechnen lassen – immerhin haben die Grünen ihn auch offiziell unterstützt -, aber die Aussage ist trotzdem falsch.

 

Weiterführende Links:

Live-Ticker: Eva Glawischnig tritt als Parteichefin zurück – derStandard.at

Portrait: Vom Umweltschutz ins Parlament – Kurier

Transkript: Pressekonferenz: Eva Glawischnig #ruecktritt – Neuwal

Fotocredit Eva Glawischnig (Kleines Bild): Parlamentsdirektion / Photo Simonis