In Frankreich ist zurzeit viel los. Die französische Presse hat mit der kommenden Präsidentschaftswahl, den Untersuchungen rund um die Scheinbeschäftigung von Parlamentsassistenten durch den Front National und der Vetternwirtschaft von mitte-rechts Präsidentschaftskandidat François Fillon einiges zu tun. Im Februar kam noch eine weitere große Schlagzeile dazu: Die Unruhen in den sozial schwachen Pariser Banlieus nach der Misshandlung eines jungen Schwarzen bei einer polizeilichen Untersuchung. Seither ist es bei zahlreichen Demonstrationen zu Ausschreitungen gekommen und die Lage eskaliert.

“Migranten-Horden” im bürgerkriegsähnlichen Frankreich
Trotzdem kommt das Thema zu selten in österreichischen Medien vor, findet Herbert Kickl, FPÖ-Klubobmannstellvertreter. In einem Artikel vom 21. Februar sagt er:

„Seit Tagen brennen in Paris ganze Stadtteile, kommt es zu tumultartigen Szenen, die an Bürgerkrieg erinnern, und die angeblich ‚ach so seriösen Medien‘ in Österreich schweigen sich darüber aus. […] Mehr als Randnotizen sind die Gewaltexzesse der schreibenden Zunft nicht wert. Nachdem nämlich nicht sein kann, was nicht sein darf, wird beinhart zensuriert und darauf vertraut, dass die Österreicher einfach nicht mitbekommen, was rund um sie passiert.“

Diese Zensur der österreichischen Medien scheint umso fataler, wenn man sich die Beschreibung der Situation in dem Artikel ansieht:

„Bereits in 20 Städten kommt es zu schweren Kämpfen zwischen randalierenden Migranten-Horden und Sicherheitskräften. Da die Polizei zunehmend die Kontrolle verliert, soll bereits die halbe französische Armee, also rund 125.000 Mann, zur Unterstützung hinzugezogen worden sein.“

„Gerechtigkeit für Théo!“
Aber von vorne, was ist passiert? Am 2. Februar wurde in Aulnay sous Bois, einem für hohe Kriminalitäts- und Migrationsraten bekanntem Vorort von Paris, ein junger Mann wegen vermuteten Drogenbesitzes festgehalten. Im Zuge der Festnahme kam es zu schwerer Gewaltanwendung durch die vier Polizisten sowie einer mutmaßlichen Vergewaltigung mit einem Schlagstock durch einen der Polizisten. Die angespannte Lage zwischen Polizei und BewohnerInnen der Problemviertel ist schon länger Thema. Immer wieder gab es Fälle von ungerechtfertigter Polizeigewalt, gleichzeitig sind die Viertel von hohen Kriminalitätsraten (vgl. Details INHESJ und Le Monde) geprägt. Die Vorwahl 93 als Adresse, die dem Bezirk Seine-Saint-Denis gehört, ist in Frankreich ein Stigma. Auch einer der Attentäter vom 13. November 2015 kommt von hier.
Die aufgestaute Wut, das Gefühl von der Regierung vergessen worden zu sein ist groß. Die Misshandlung Théos, so heißt der junge Mann aus Aulnay sous Bois, ist für viele der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. In den Nächten nach dem 4. Februar herrschen gewaltsame Unruhen in dem Vorort. Autos brannten, Flaschen wurden geworfen, DemonstrantInnen festgenommen.
Im Laufe der Zeit breiten sich die Proteste immer weiter aus. Am 18. Februar demonstrieren schließlich ca. 2.300 Personen am Place de la République, im Herzen von Paris, gegen die Polizei. Gleichzeitig gibt es Demonstrationen im ganzen Land. In Rouen, Grenoble, Orleans, Rennes, Toulouse und vielen anderen Städten wird protestiert. Teils kommt es zu Festnahmen, teils verlaufen die Proteste friedlich. Slogan ist immer „Justice pour Théo!“, Gerechtigkeit für Théo. Die französische Politik sieht sich nun gezwungen, darauf zu reagieren. François Hollande besucht Théo am Krankenbett um weitere Eskalation zu vermeiden.

Doch was ist mit den mutmaßlich eingesetzten 125.000 Soldaten, von denen die FPÖ spricht? Herrscht tatsächlich Bürgerkrieg und in Österreich merkt niemand etwas? Von offizieller französischer Seite ist dazu nichts zu finden. Auf Nachfrage verweist die FPÖ auf einen Artikel von EpochTimes, der vom Einsatz des halben Militärs spricht. Quelle dafür ist ein mittlerweile gelöschter Tweet eines amerikanischen Autors. Außerdem wird im Artikel auf die Opération Sentinelle verwiesen, in dessen Zusammenhang 10.000 (davon 3.000 in Reserve) Soldaten eingesetzt wurden. Die Opération Sentinelle ist allerdings keine Reaktion auf die aktuellen Unruhen, sondern wurde im Jänner 2015 als Teil des Plan Vigipirate nach den Schüssen in der Redaktion von Charlie Hebdo eingesetzt, um Terrorattentate zu verhindern.

Zensur in Österreich?
Und was ist jetzt dran am Vorwurf der (Selbst-)zensur der österreichischen Medien? Im Fokus der Berichterstattung standen Anfang Februar zahlreiche andere Ereignisse, etwa die ersten Amtstage Donald Trumps und die Koalitionskrise zwischen SPÖ und ÖVP. Berichtet wurde aber auch über die Ereignisse in Frankreich, wie etwa Artikel von Kurier, Presse oder Salzburger Nachrichten zeigen. Der ORF hat sich mittlerweile zu den Vorwürfen geäußert und eine Übersicht von zwölf ZIB-Sendungen auf Facebook gepostet, in denen die Proteste in Frankreich thematisiert wurden. In einem Interview, in dem Heinz-Christian Strache ebenfalls die zu geringe Berichterstattung kritisiert, bezieht auch der Standard Stellung und kontert mit einem Gegenvorwurf: “Die Medien berichteten sehr wohl – nur eben nicht über “brennende Städte”, weil das eine unglaubliche Aufbauschung wäre.”

Zusammengefasst ist also nicht viel dran am Vorwurf Kickls. Von Zensur kann angesichts zahlreicher Berichte in unterschiedlichen Medien nicht die Rede sein. 125.000 Soldaten wie von der FPÖ gemutmaßt sind und waren ebenso nicht im Einsatz. Die Aussagen sind somit als falsch zu beurteilen.

Fotocredit Herbert Kickl (Kleines Bild): Parlamentsdirektion / Photo Simonis