Nach dem Mord am Journalisten Jamal Khashoggi steht Saudi-Arabien weltweit in der Kritik. Mittlerweile werden auch politische Forderungen laut, die Zusammenarbeit mit der saudischen Regierung unter Mohammed bin Salman (MbS) zu beenden – z. B., indem man zu Wirtschafts-Gipfeln nicht erscheine. Oder indem man kein Kriegsmaterial mehr liefere.

In diese Reihe fällt auch eine Aussage von Karin Kneissl, die in einem Bericht der “Presse” zitiert wird:

“Der von Bundeskanzlerin Merkel angeregte Stopp von Waffenlieferungen wäre jedenfalls das richtige Signal. Österreich hat bereits seit Beginn des Krieges im Jemen im März 2015 und der saudischen Involvierung dort kein Kriegsmaterial mehr an Saudi-Arabien geliefert.”

Und ja, diese Aussage ist richtig. Aber sie suggeriert etwas Falsches. Nämlich, dass Österreich am Krieg zwischen Jemen und Saudi-Arabien unbeteiligt ist.

“Kriegsmaterial” heißt nicht “Waffen”

Dabei täuscht nämlich das Wort “Kriegsmaterial”. Wenn man das Wort hört, denkt man an Panzer, Explosionen und Waffen. Allerdings braucht es für einen Krieg oder sonstige bewaffnete Handlungen nicht nur das – sondern auch z. B. Fahrzeuge. Und hier spielt Österreich mit.

Grundsätzlich gibt es nämlich einen Unterschied zwischen Kriegsmaterial und Militärgütern. “Militärgüter” ist dabei ein größerer Begriff, der 22 Klassen unterscheidet. Eine davon ist das “Kriegsmaterial” – und nur hier gelten bereits verschärfte Ausfuhrbedingungen. (Was auch heißt, dass es nichts Besonderes ist, dass dieses nicht nach Saudi-Arabien geliefert wird – das ist verboten.)

Laut einem Bericht von “Addendum” liefert Österreich nach wie vor Militärgüter in Kriegsregionen – unter anderem an Saudi-Arabien. Unter anderem wurden alleine im Jahr 2016 Handfeuerwaffen im Wert von 679.575 Euro an Saudi-Arabien geliefert. (Nein, Handfeuerwaffen fallen nicht unter Kriegsmaterial.) Zwischen 2004 und 2016 wurden Fahrzeuge (zum militärischen Gebrauch) im Wert von rund 2,7 Millionen Euro exportiert.

Möglich werden diese Exporte dadurch, dass bei Kriegsmaterial das Innenministerium zuständig ist, bei Militärgütern – der wesentlich größeren Kategorie – aber das Wirtschaftsministerium. Dieses wirkt bei solchen Fragen sehr liberal.

Fazit

Insofern stimmt die Aussage, dass Österreich seit 2015 kein “Kriegsmaterial” mehr nach Saudi-Arabien schickt – es hat wohl einen Grund, wieso Kneissl den juristischen Begriff verwendet. Allerdings werden immer noch Handfeuerwaffen und andere Militärgüter in Kriegs- und Konfliktregionen exportiert. Ihre Aussage ist also zumindest irreführend.

 

Edit: Auch Handfeuerwaffen können Kriegsmaterial sein, sie fallen nicht prinzipiell nicht in diese Kategorie. Etwa automatische Karabiner, Panzerbüchsen, ja sogar halbautomatische Gewehre, so sie nicht als Sportwaffen gelistet sind. Auch die automatische Glock 18 ist Kriegsmaterial. Wir danken Andreas Wetz für die Anmerkung.

Disclaimer: Der Autor des Artikels ist Social Media Manager bei “Addendum”.

Weiterführende Links:

  • Wie Österreich Militärgüter in Kriegsregionen liefert – Addendum
  • Kriegsmaterialverordnung – RIS
  • Rüstung für die Welt: Wen Österreich beliefert – Addendum

Fotocredit Karin Kneissl (Kleines Bild): Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres | CC-BY-SA 2.0